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New Work: Wie das Konzept umgesetzt werden kann

Nina Kegel

Nachhaltigkeits-Expertin im Bereich bewusster Konsum und umweltgerechtes Leben

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New Work ist bereits seit einigen Jahren in aller Munde und bekam durch die zunehmende Remote-Arbeit während der Pandemie neue Gültigkeit. Doch wie können New Work-Strategien praktisch implementiert werden?

Es ist durchgängiges Narrativ auf LinkedIn, Thema vieler TED-Talks, schmückt Visitenkarten, wird in Büros mit Tischkickern und Bürohunden demonstriert und soll bei Jobausschreibungen neue Arbeitnehmer:innen locken: New Work. Der Begriff steht vor allem für eins, einen Wandel in der Arbeitswelt.

Die Notwendigkeit eines solchen Wandels demonstriert der aktuelle Gallup-Bericht „State of the Global Workplace 2022", für den 105.080 Arbeitnehmende in 146 Ländern befragt wurden. Der Bericht zeigte unter anderem, dass sich vierzig Prozent der Beschäftigten in Deutschland gestresst fühlen. Außerdem geben nur 16 Prozent der Angestellten in Deutschland an, sich ihrem Unternehmen wirklich verbunden fühlen, in der Schweiz sind es elf, in Österreich neun Prozent. Das hat einen gravierenden wirtschaftlichen Einfluss: Nach Berechnungen von Gallup kostet geringe Mitarbeiterbindung die Weltwirtschaft pro Jahr rund 7,3 Billionen Euro. Marco Nink, Director of Research & Analytics EMEA bei Gallup geht noch weiter: Demnach sei “Europa großartig zum Leben [...] – aber nicht zum Arbeiten. Während die europäischen Arbeitnehmenden mit ihrem Leben überdurchschnittlich zufrieden sind, sind sie gleichzeitig frustrierter mit der am Arbeitsplatz erlebten Führung und ihrem Arbeitsumfeld als der gesamte Rest der Welt.” Dem will New Work entgegenwirken, indem ein Arbeitsumfeld geschaffen wird, das den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Arbeitnehmenden mehr entspricht.

Die Inhalte:

  • Der Ursprung von New Work
  • New Work heißt Remote Work
  • Weniger Arbeitszeit, höhere Produktivität
  • New Work bringt innovative Führung
  • Flache Hierarchien
  • New Work is female
  • Rollenbeschreibungen statt festgezurrte Jobs
  • New Work-Kritik & Fazit
  • Häufige Fragen
  • Weiterlesen im Magazin

1. Der Ursprung von New Work

Geprägt hat den New Work-Ansatz der österreichisch-amerikanische Sozialphilosoph und Philosophieprofessor Frithjof Bergmann, der damit „die Arbeit [beschreibt], die ein Mensch wirklich, wirklich will.“ Bergmann richtet sich mit seinem New Work-Ansatz streng gegen die aktuelle Form des Wirtschaftens, gegen die Lohnarbeit des Kapitalismus und strenge Hierarchien. Sein umfassendes Konzept beinhaltet stattdessen einen Fokus auf individuelle Persönlichkeiten und Kreativität, Teilhabe und gelebte Entscheidungs- und Handlungsfreiheit.

Doch auch, wenn Bergmann diese Ideen als Erster in die New Work-Form goss, sind die Konzepte nicht neu. Bereits vor vielen Jahren schafften es Unternehmen mit kreativen, innovativen Ideen zu einer besseren Arbeitskultur und können damit heute noch als New Work-Vorbilder verstanden werden: So beschäftigte sich etwa die von Marguerite Durand gegründete feministische Tageszeitung La Fronde bereits 1897 in einer komplett weiblich besetzten Redaktion damit, wie neues Arbeiten aussehen kann.

Auch die britische Software-Entwicklerin Stephanie Shirley glaubte fest daran, dass Mitarbeitende unbedingt an Entscheidungen beteiligt sein sollten. Die Aktien ihres in den 1960ern gegründeten Tech-Start-Ups schenkte oder überließ sie daher zu einer sehr niedrigen Bewertung zum Großteil ihren Angestellten. Außerdem stellte sie laut Naomi Rylands und Lisa Jaspers Menschen ein, „die damals vom Erwerbsleben oft ausgeschlossen waren, wie zum Beispiel Mütter und Menschen mit Behinderungen. Alle Teammitglieder arbeiteten von Anfang an flexibel und von zu Hause aus, Jobsharing war üblich.“ Mit Erfolg: 2,8 Milliarden Pfund betrug der Marktwert von Freelance Programmers zwischenzeitlich.

2. New Work heißt Remote Work

Die Digitalisierung ist für viele Menschen Synonym für Arbeitsplatzverlust und Entmachtung, doch New Work will das Potential neuer Technologien aufzeigen. Zuallererst gehört dazu das ortsungebundene Arbeiten, das während der letzten drei Jahre schlagartig von einer Utopie zur Realität wurde. Damit machte sich zumindest in Teilen der Arbeitswelt eine Euphorie der Erkenntnis breit: New Work, das geht.

Nicht nur können sich Menschen so die Arbeitsumgebung suchen, die ihre individuelle Produktivität oder Kreativität am besten fördert, sie können zugleich Familienleben oder Hobbys besser vereinbaren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Weg zur Arbeit besonders weit und damit mit einem besonders hohen Zeit- und Geldaufwand verbunden ist. Damit kann die Möglichkeit zum Homeoffice einen positiven Einfluss auf das Stressniveau haben, wie Marco Nink von Gallup bestätigt.

Genug Gründe für Unternehmen, die Option zu Remote Work nach der Pandemie beizubehalten und damit zumindest einen Aspekt von New Work zu implementieren. Gleichzeitig wurde deutlich, wo Handlungsbedarf besteht – auf der Ebene digitaler Infrastrukturen in Unternehmen, aber auch, wenn es etwa um die Medienkompetenz der Angestellten geht.

Das Klischee von New Work: Frau arbeitet am Schreibtisch am Strand

3. Weniger Arbeitszeit, höhere Produktivität

Der wohl am meisten umgesetzte New Work-Ansatz besteht in einer Reduzierung der Arbeitszeit. Weltweit steigen Unternehmen selbstorganisiert oder in größer angelegten Pilotprojekten, darunter in Island, Großbritannien und Japan, auf die 4-Tage-Woche um. Mit überzeugenden Ergebnissen: Die Mitarbeitenden seien glücklicher und ausgeglichener, da sie mehr Zeit für Familie und Hobbies haben, außerdem seien sie sehr viel produktiver und leisten in den verbleibenden 80 % der Arbeitszeit teils mehr, als sie zuvor an den fünf Tagen schafften. Das Spannende: Bei den New Work-Projekten beteiligten sich Unternehmen aus den verschiedensten Bereichen, darunter Hotels, Tischlereien, Verlage und Tech-Unternehmen. Zu den Befürworter:innen der Vier-Tage-Woche zählt die spanische Regierung: Sie unterstützt seit Februar Unternehmen mit 10 Millionen Euro beim Umstieg auf die Vier-Tage-Woche.

Auch wir bei SALZWASSER setzten wir seit diesem Jahr dieses New Work-Prinzip bei uns um. Nach einer Testphase im Vorjahr steht seit Anfang 2023 final fest: Wir schaffen alles in vier statt fünf Wochenarbeitstagen. Diese fünf Gedanken spielten bei unserer Entscheidung eine maßgebliche Rolle:

  • Focus on the essential
    Unsere Markenphilosophie – zusammengefasst mit dem Leitspruch “Focus on the essential” – soll sich auch in unserem Arbeitszeitmodell widerspiegeln. Vier Tage bedeuten: mehr Freizeit, mehr Fokus und mehr Zeit für das Wesentliche. Besonders in herausfordernden Zeiten ist es wichtig, zu erkennen, dass mehr Arbeit das Marktsentiment nicht ändert. Statt immer verbissener an nicht-zeitsensiblen Aufgaben zu arbeiten, hilft uns die 4-Tage-Woche dabei, abzuschalten, Hobbys nachzugehen oder neue zu finden, Sport zu treiben, uns gesund zu ernähren und Zeit mit den Menschen zu verbringen, die uns wichtig sind.
  • Pareto-Prinzip
    Das gute alte Pareto-Prinzip besagt, dass 80 % der Ergebnisse nur 20 % des Gesamtaufwandes ausmachen. Um die restlichen 20 % zu erreichen, müsse hingegen 80 % des Gesamtaufwandes aufgebracht werden. Auch, wenn das Konzept umstritten ist, haben wir gemerkt: Der fünfte Tag ist nicht essenziell wichtig, sondern bietet eher die Arbeitszeit für Nice-To-Haves. Wir fokussieren uns im Rahmen der Arbeit auf Must-Haves – das klappt wunderbar an vier Tagen in der Woche.
  • Flexibel bleiben
    Da wir daneben auf flexibles und mobiles Arbeiten sowie auf Vertrauensurlaub setzen, heißt das im Umkehrschluss, dass wir bei Notwendigkeit natürlich den fünften Tag arbeiten, so wie wir bisher den sechsten oder siebten Tag arbeiten, wenn es die Situation erfordert. Die Basis ist jetzt eben vier Tage statt fünf, während nach oben weiterhin mehr möglich ist.

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4. New Work bringt innovative Führung

Für Führungskräfte bringt New Work neue Herausforderungen und Erwartungshaltungen mit sich. Sie sollen individuell auf das Team eingehen, hohe emotionale Intelligenz zeigen. Gleichzeitig werden ihre Entscheidungen mehr in den Diskussionsbereich gerückt, wobei auch Gehaltsfragen offener diskutiert werden. Denn „über Geld spricht man nicht“, damit will der New Work-Ansatz aufräumen. Schließlich wünschen sich nach Jobst-Jürgens 80 % der Arbeitnehmer:innen mehr Transparenz bezüglich des Vergütungsmodells ihres Unternehmens. Dabei geht es weniger darum, zu wissen, was eine Kollegin verdient, als vielmehr darum, wie ein Gehalt zustande kommt.

5. Flache Hierarchien

Das Klischee vom sich ständigen “Hocharbeiten”, sobald man nach Ausbildung oder Studium in die Berufswelt gestartet ist, gehört in der New Work-Welt zumindest in Teilen der Vergangenheit an. Flache Hierarchien sollen so dafür sorgen, dass Einstiegsjobs attraktiv und ggf. mit entsprechender Verantwortung verbunden sind. Gleichzeitig ist allerdings klar, dass flache Hierarchien insbesondere in kleinere oder mittelständischen Unternehmen umgesetzt werden können.

6. New Work is female

Die Ansätze von New Work gehen häufig mit dem Wunsch nach mehr Purpose und damit einer sozial und ökologisch verträglicheren Wirtschaft einer. Besonders ökologischer Nachhaltigkeit schreiben weibliche Gründerinnen dabei einen wesentlich höheren Stellenwert zu als ihre Kollegen, wie der Female Founders Monitor erkennt. Während der Anteil weiblicher Gründerinnen 2022 in Summe bei 20 % lag – trotz Steigerung noch immer weit von Parität entfernt –, ordnen sich 61 % von ihnen dem Bereich Social Entrepreneurship zu, aber nur 34 % der Männer. Damit wird der enorme Stellenwert von Gründerinnen deutlich, um die Wirtschafts- und Arbeitswelt sozialer und ökologischer zu gestalten und New Work umzusetzen.

New Work is female: zwei Frauen, die die Arme gemeinsam nach oben strecken

7. Rollenbeschreibungen statt festgezurrte Jobs

Head of, Manager, die Jobbeschreibungen in 2023 klingen zumeist hochgestochen und sind dabei wenig verständlich. Stattdessen setzt New Work auf Rollenbeschreibungen, die je nach Besetzung und Projektlage veränderbar sind. Damit verändert sich auch die Arbeit für den HR-Sektor. Es geht nun weniger darum, Menschen zu finden, die eine lange Checkliste an Qualifikationen erfüllen. Stattdessen werden die Fähigkeiten und Qualitäten, die eine Person mitbringt, entsprechend im Unternehmen eingesetzt.

8. New Work-Kritik & Fazit

Nicht ohne Grund werden die New Work-Ansätze vielfach kritisiert. Sie seien nicht wirtschaftlich, nicht realisierbar und überhaupt für viele Branchen gänzlich ungeeignet, etwa im Bildungs- und Pflegesektor. Dem muss entgegengesetzt werden, dass es gar nicht darum gehen soll, den einen Ansatz in jedem Berufszweig oder jedem Job zu implementieren. Stattdessen können die Ideen, die sich unter dem Oberbegriff versammeln, auf verschiedene Weisen angepasst und so entsprechend umgesetzt werden.

Wie das gehen kann, zeigt beispielsweise die Klinik Wartenberg in Oberbayern. Dort erfolgt die Einsatzplanung seit 2020 dauerhaft anhand des Biorhythmus der Mitarbeitenden, seit das dort durchgeführte Projekt „Chronobiologie” die positiven Auswirkungen auf Arbeitszufriedenheit und Gesundheit aufzeigte.

Auch der finanzielle Aspekt ist bei der New Work-Debatte präsent. Hier betont Waldemar Zeiler, Gründer des Unternehmens einhorn, dass New Work vor allem die Aufgabe jener sei, welche die (finanzielle) Freiheit haben. Heißt: Wer seine Arbeit dementsprechend ausrichten und durch die eigene Tatkraft einen Wandel herbeiführen kann, sollte dies tun. Gleichzeitig bedeutet das, die eigenen Privilegien so wahrzunehmen, um sie vom Privilegien-Status zu befreien.

Zuletzt ein oft verdrängter Aspekt: Vielleicht wollen gar nicht alle New Work. Denn Bergmanns Forderung, nach der uns Arbeit “Kraft und Energie verleihen” und “bei unserer Entwicklung unterstützen [soll], lebendigere, vollständigere, stärkere Menschen zu werden”, ist vermutlich gar nicht die Forderung aller Arbeitnehmenden. Darum sollte New Work eher als Möglichkeit verstanden werden, dort, wo möglich, für eine menschlichere Arbeitswelt zu sorgen, von der am Ende alle profitieren.

9. Häufige Fragen

Weiterlesen im Magazin:

Fair Fashion-Lobbyistin Lavinia Muth über eine nachhaltigere Bekleidungsindustrie

Lavinia Muth war einige Jahre selbst Nachhaltigkeitschefin des Modelabels Armedangels. Nun teilt sie als Speakerin ihre Erfahrungen und unterstützt als Mentorin und Beraterin Bekleidungsunternehmen dabei, ihre Geschäftspraktiken ethischer und sozial gerechter zu gestalten. Mit uns hat sie über ihre Arbeit und die Herausforderungen einer nachhaltigen Modeindustrie gesprochen.

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Social Business

Beim Social Business Model werden mithilfe unternehmerischer Ansätze soziale, ökologische oder gesellschaftliche Ziele erreicht. Social Business Unternehmen wollen die Welt verbessern – und das innerhalb des wirtschaftlichen Systems.

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Klimapositiv – was bedeutet das eigentlich?

Klimaneutral oder sogar klimapositiv – was das heißt, ob bzw. wie das gehen kann und was SALZWASSER damit zu tun hat. Es klingt nach einem großen Versprechen, das immer mehr Unternehmen machen: Mit ihren Produkten nicht nur keinen negativen Impact auf das Klima zu haben, sondern sogar einen positiven. Doch was hat es damit überhaupt auf sich?

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So unterstützt du mit deiner Kleidung den Meeresschutz

Pro verkauftem SALZWASSER-Kleidungsstück unterstützen wir den SALZWASSER e.V., der sich für Umweltschutz und -bildung einsetzt. Was wir dieses Jahr erreicht haben. Transparenz spielt bei uns eine wichtige Rolle. Nicht nur bzgl. der Lieferketten, sondern auch, wenn es um den SALZWASSER e.V. geht. Pro verkauftem SALZWASSER-Stück spenden wir zwei Euro an unseren gemeinnützigen Verein und fördern damit Projekte im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes. So tragen wir mit dem Verkauf unserer Kleidung aktiv zum Erhalt von Ökosystemen und Artenvielfalt bei und unterstützen die einheimische Bevölkerung in Küsten- und Tourismusregionen dabei, nachhaltig ökologisch zu denken und zu handeln.

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Dein Frühling und Sommer mit SALZWASSER!